Schneeballeffekt oder Was hat Müll mit Würde zu tun?

Mit unseren Hunden gehe ich oft an den Fluss, der nur ein paar Schritte von unserm Haus entfernt, meist ruhig seinen vorgeschriebenen Weg nimmt und also Richtung Nordsee fließt. Ihn zu beobachten macht mich ruhig und mir ist, als könne er seine Gelassenheit auf mich übertragen oder auch inspirierend wirken, je nach dem ob mein Blick mit oder gegen den Strom auf ihm ruht, wie ich beobachtet habe.

Es ist die Weser. An ihr führt ein Radweg entlang, der Städte miteinander verbindet und Menschen können per Rad oder auch zu Fuß die Landschaft mit ihren Feldern, den Weserauen, sowie das besondere Gewässer selbst erfahren und genießen.

Was ist nur geschehen, dass es mir in den letzten Jahren immer schwerer fiel, dort an „meinem“ Fluss Erholung zu finden? Erst nach und nach kam mir zu Bewusstsein, wie ich versuchte vermehrt andere Orte für den täglichen Spaziergang zu wählen. Ich merkte, es machte mir keine Freude mehr wie sonst die Weser aufzusuchen. Der Sache bin ich auf den Grund gegangen. Lange musste ich nicht suchen, um die Ursache zu finden. Ich ging die gewohnten Wege mit wachem Aug´ und Herz ab und schnell fiel mir auf, was ich zuvor scheinbar nur unbewusst wahrgenommen hatte. Was mich beschwert hatte, war der stetig gewachsene Müll, den ich nun ganz klar überall entdeckte. Woher er nur kommt? Verweht der Wind den Inhalt zerrissener Gelber Säcke? Möglich. Auf jeden Fall aber finde ich am Ufer der Weser, am Rande des Radweges weggeworfene Kaffee-to-go–Becher, Umhüllungen von Eis-am-Stiel, Bonbonpapiere, Bierdosen (mit Pfand) und allerlei achtlos fallengelassene, weggeworfene Verpackungen und sonstigen Müll. Einfach in die Landschaft entsorgt. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Leider, oder glücklicherweise, nicht aus aller Auge und Sinn!

Ich gehe also betrübt mit den Hunden die Weser entlang. Mein Herz ist schwer und man möchte verzweifeln, da kommt doch Rettung und Heilung mir entgegen. Und zwar in Form eines etwas entfernteren Nachbarn, der auch, wie so oft hier seine Gassi-Runde macht. Sein Hund trägt eine zerbeulte PET-Flasche ohne Etikett und mein Nachbar selbst hält ein Stück alten Plastiks in seiner Hand. „Wir nehmen hier immer etwas mit für die Tonne.“  Die Erleuchtung traf mich unmittelbar und direkt!

Seitdem also, habe auch ich es mir zur Gewohnheit gemacht, nicht mehr zu verzweifeln, sondern von jedem Gang an die Weser, etwas, meist mehrere Teile, Mülls, mitzunehmen für die „Tonne“. (Bei mir befindet sich übrigens gleich eine auf der Heimstrecke.)

Das macht mein Herz leichter und ich empfinde große Verbindung zu dem Fluss Weser, dem ich nun helfen kann und sei der Beitrag auch noch so gering. Ich hoffe auf den Schneeballeffekt. Und was soll ich euch sagen? Vor wenigen Wochen konnte ich beobachten, wie eine weitere Gassi-Geherin zusammen mit ihrem Hund aufgesammelten Abfall in der Mülltonne entsorgte. Das macht mir Hoffnung….

Nun könnte man ja fragen, ob das nicht vielleicht unter meiner Würde ist, sich nach dem Müll anderer zu bücken. So kann ich nur antworten, dass es würdelos ist, so einen, an sich heiligen Ort, mit Unrat zu beschmutzen und in diesem Fall ein krummer Rücken etwas mit Haltung zu tun hat.

„Sei´ du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

Mahatma Gandhi

„Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig.“ Rede des Häuptlings Seattle

Nachtrag:

In all der Zeit, in der ich hier an der Weser leben durfte, konnte ich beobachten, wie sie sich durch ihre jährlich vorkommenden Hochwasser selbst versuchte zu reinigen (Jedenfalls kommt es mir so vor und warum sollte man einem lebendigen Wasser solch einen Willen absprechen?) Durch das Hochwasser schwemmte sie all den Unrat, den sie unfreiwillig mit sich schleppen muss und der ihre Wasser verschmutzt und sie zu einer Müllkippe entwürdigt, auf die Wege und genutzten Flächen, direkt dem Menschen wieder vor die Füße!

Doch in den letzten zwei Jahren etwa, findet durch die viel zu trockenen Sommer, solch ein reinigendes Hochwasser kaum noch statt. Ein Grund mehr ihm zu helfen.

Ich spüre, der Fluss und ich sind eins.

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