Das Thema „Offene Heimat- wie kann sie gelingen?“ begegnete mir in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift evolve. Zugegebenermaßen hatte ich mich zuvor mit diesem Begriff kaum auseinandergesetzt. Nun aber während unseres Evolve- Salon-Treffens (Ja, tatsächlich! Es gibt ihn im kleinen Minden.) hatte ich Gelegenheit, an einem Abend im November zusammen mit anderen Teilnehmern im dialogischen Austausch, dem Thema nachzuspüren.
Heimat! Jeder verbindet offensichtlich etwas anderes mit dem Begriff. Mir scheint, als sei der Begriff von Haus aus leer und müsse noch gefüllt werden von jedem einzelnen Menschen mit Sinn und Bedeutung.
Der Ort, in dem man geboren ist, wo man in Familie und unter Freunden eingebettet ist, empfindet mancher als Heimat. Die Sprache verstehen gilt als wichtiger Punkt, wenn es darum geht sich heimisch zu fühlen. Sogar die Mundart einer bestimmten Region hören, können heimatliche Gefühle hervorrufen.
Manch einer kann sich gar nicht sofort mit dem Wort Heimat identifizieren. Klingt ja auch irgendwie nach Spießertum oder man wittert gar, es könnte dem rechten Lager zugehörig sein.
Irgendwie sperrig das Wort. In dem Wort Heimat fühle auch ich mich nicht auf Anhieb zuhause. Das ändert sich jedoch im Laufe des Abends, in dem ich mich nach und nach gedanklich und auch gefühlsmäßig mehr und mehr darauf einlassen kann.
Am Ende des Abends stand für mich die Erkenntnis fest, dass Heimat mit Verantwortung zu tun hat und damit, dass ich Heimat nicht für mich allein leben kann. Es geht auch darum anderen Menschen Heimat zu geben, ihnen ein heimatliches Gefühl zu ermöglichen.
Für unsere Angehörigen geht das klar. Da entsteht Heimat meist ganz automatisch. Aber was ist mit den anderen? Mit den Fremden? Wie kann es gelingen Gefühle von Sicherheit und ja, Geborgenheit zu vermitteln bei Menschen, die ihre eigene Heimat verlassen haben, verlassen mussten? Sind sie überhaupt offen für eine neue Heimat?
Und sind es nur die großen Handlungen, wie z.B. sich in der Flüchtlingsinitiative zu engagieren, im eigenen Haus Raum geben oder Bürgschaften übernehmen, die den Unterschied machen und zu denen wir uns durchringen sollten?
Oder sind es nicht gerade die kleinen Gesten, die einfachen Dinge, ohne die auch mir etwas Heimatliches fehlen würde in meinem Hier-sein?
Wo beginnt bei mir selbst das Gefühl Heimat zu haben?
Sie beginnt ganz klar darin, dass ich gesehen werde. Ich werde gesehen und akzeptiert als ein Mensch; als Gleicher unter Gleichen. Ein Ausdruck dafür ist das hier noch übliche Grüßen auf der Straße. Indem ich jemanden einen guten Tag entbiete, signalisiere ich ihm: „Ich sehe dich.“ Und umgekehrt werde ich gesehen, wenn ich die Antwort erhalte. In den Momenten, in denen mein Gruß nicht erwidert wird, spüre ich wie wichtig auch mir es ist, gesehen und wertgeschätzt zu werden.
Sich einen „Guten Tag“ zu wünschen ist bedeutend mehr als eine reine Höflichkeitsfloskel. Es ist ein Handreichen, ein Akzeptieren des Gegenübers und ein Ausdruck der Achtung vor dem der mir begegnet. Dabei sollte es keine Rolle spielen ob die Person, die mir entgegenkommt, ein Kopftuch trägt oder sicher noch nicht gut meine Sprache spricht. Im Gegenteil, mein „Ich sehe dich“ integriert zum Beispiel Geflüchtete schneller in die Gesellschaft, übt das Miteinander in einem vielleicht unbekannten Land und was noch viel wichtiger ist, möglicherweise trägt es ein wenig dazu bei, jemandem einen kleinen Hauch Heimat in der (noch) Fremde zu geben.
„Heimat ist nicht Raum, Heimat ist nicht Freundschaft, Heimat ist nicht Liebe – Heimat ist Friede.“
Paul Keller (1873 – 1932), deutscher Schriftsteller