Wenn Leere sich ausbreitet

Manchmal wird es in mir und um mich herum ganz leer, sehr still. Alles scheint langsamer und gedämpft bei mir anzukommen. Gedanken, Gespräche und auch die Gefühle scheinen gewichtiger und zugleich aus etwas mehr Abstand zu kommen. Auch jetzt wieder empfinde ich so.

Jemand ist gestorben und es ist, als hätte die Zeit eine andere Qualität bekommen. Das habe ich schon immer in solchen Momenten so erlebt.

Aber auch in den Tagen und Wochen zuvor kann man es erspüren, diese besondere Zeitqualität. Sie kann als plötzliche Gewissheit über die Unabänderlichkeit des nahenden Ereignisses erscheinen, als in der Tiefe gefühlte Verbundenheit zu der Person, die hinaus geht über die Fürsorge und gelebte Liebe oder Besorgnis im Alltag, wenn man vielleicht einen lieben Menschen in seiner Krankheit begleitet.

Besonders deutlich wird diese besondere Zeitqualität in den Stunden oder nur Minuten der Stille, wenn zum Beispiel, im Grenzgebiet des eigenen Schlafes, die Gedanken schon oder noch verstummen und Platz machen für eine Offenheit, die alles empfangen kann was auf geistiger Ebene sich mitteilt. Aber auch in meditativen Zuständen oder sogar ganz spontan aus dem Alltagsgeschehen heraus, können sich solche Empfindungen einstellen.

Es ist dann als sei man dem Geistigen näher, als sei die Trennung zwischen „Himmel und Erde“ ein wenig durchlässiger und wir selbst empfänglicher für etwas, was zwar immer da, aber nicht immer gleich, erfahrbar ist.

Noch im Tode können sich Menschen mitteilen, auf einer ganz anderen Ebene, als es normale Worte vermögen, auch wenn sie zum Sprechen nicht in der Lage sein sollten. Hier „sieht“ man nur mit dem Herzen gut. Wie im „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry, bleibt das Wesentliche für die Augen unsichtbar und ist mit den anderen Sinnesorganen des Körpers nicht wahrzunehmen. Es muss jedoch noch einen weiteren Sinn des Menschen geben. Vielleicht ist er mit dem Bewusstsein verknüpft. Man könnte ihn Intuition nennen.

In jenen Zeiten, wenn wir in Sorge sind, wenn wir trauern, können wir so den Trost erfahren, dass es etwas Geistiges gibt, eine Erkenntnis, die uns gewiss werden lässt, dass es über oder besser, neben dem Materiellen etwas gibt, dass uns mit Allem verbindet.

Nur wir müssen uns diesen Erfahrungen öffnen, sie zulassen und dann auch selbst als wahr-nehmen.

Ich bin davon überzeugt, dass jede von uns über solche Erfahrungen der besonderen Zeitqualitäten in ihrem Leben berichten kann und von ihnen weiß. Hier möchte ich einfach Mut machen, den eigenen Empfindungen auch zu trauen, sie als ganz normale Realität zu erkennen und an andere Menschen weiterzugeben. Wir sind nicht allein, etwas verbindet uns. In der Stille können wir das erfahren, wenn scheinbar Leere sich ausbreitet.

Licht durchbricht das Dunkel- ein besonderer Moment

2 Antworten auf „Wenn Leere sich ausbreitet“

  1. Liebe Hermine, ich bin sehr beeindruckt wie Du für Deine Gefühle und Gedanken eine Sprache findest. Deine Texte regen zum Nachdenken und Nachfühlen an und sind eine große Bereicherung,
    danke Edith

    1. Liebe Edith, über deinen Kommentar, den ersten in meinen Blog, bin ich ganz beglückt! Schön, dass bei dir meine Gedanken eine Resonanz hervorrufen. Liebe Grüße, Hermine

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