Die Macht der Gewohnheit

Gewohnheiten sind ein Spiegel unseres Selbst. Sie machen uns aus. Und ob wir wollen oder nicht zeigen sie uns und anderen das Außen unseres Innenlebens. Manchmal kann es gut sein, sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden, weil sie uns möglicherweise gar nicht mehr entsprechen und wir schon einen Entwicklungsschritt im Innen vollzogen haben und ihn quasi nur noch in Handlung und Tat manifestieren müssen oder weil sie ganz einfach unserer Entwicklung im Wege stehen.

Der Beginn einer Veränderung von alten Gewohnheiten ist oftmals nicht nur, wie man vielleicht denken könnte, eine Einsicht über den Verstand, wie das Wissen darüber, dass dies und das z.B. dem Körper nicht zuträglich ist.

Meiner Erfahrung nach, kann es mit einer leisen inneren Stimme beginnen. Eine Art Sehnen macht sich breit. Uns kann eine Ahnung erfassen, davon, dass es mehr geben muss als das, was wir schon kennen oder auch, dass es nun an der Zeit ist weiterzugehen. Das altgewohnte und vertraute Leben beginnt sich wie Stagnation anzufühlen.

In meinem Fall begann es damit, dass ich deutlich spürte, nun bereit für Neues zu sein. Meinem Interesse zufolge suchte ich mir Anleitung und Hilfe für meine spirituelle Entwicklung. Ich fand eine Mediationsgruppe. Natürlich kann das für andere Menschen etwas anderes sein. Vielleicht möchte jemand ein Instrument erlernen oder mal wieder Sport treiben. Auch kleine und auf den ersten Blick unscheinbare Änderungen im Alltag können auf Dauer eine große Wirkung für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit haben.

So war es auch bei mir. Das Erlernen und die Übung der Meditationspraxis machte mir großen Spaß. Ich war motiviert. Da fiel es mir leicht auf längst überkommene Gewohnheiten zu verzichten. Statt dem ein oder anderen Glas Wein am Abend gab es nun das „Zeitalter des Tees“, wie es eine meiner Töchter nannte, denn ich wollte vor dem zu Bett gehen noch „sitzen“ und Meditation und Alkohol vertragen sich halt nicht so gut.

Das nun ist schon ein paar Jahre her und in der Rückschau kann ich erkennen, dass eine Änderung einer Gewohnheit die nächste nach sich zieht. Ja, sich sogar mein Leben in eine Richtung entwickelt, die mir zuvor so nicht möglich erschien oder die ich auch gar nicht zuvor absehen konnte. Wege tun sich auf. Menschen begegnen mir und zeigen mir manch andere Sichtweise. Dank all diesen Lehrern!

Irgendwie fühlt es sich an wie eine kleine Lawine des Guten, die durch zuerst so geringen Aufwand ins Rollen kam. Seitdem bereichern zahlreiche Aktivitäten mein Leben. Es fällt mir nun leicht Zeit und Kraft einzusetzen, gerne auch für andere, aber unbedingt auch für mich. Energie fließt mühelos wie mir scheint.

Meine neueste Entscheidung zu einer Gewohnheitsveränderung besteht darin, manche Strecke mit dem Rad zu bewältigen, statt mit dem Auto. Warum nur fällt mir das jetzt erst ein? Nun ist es aber so und das ist gut.

Allerdings gibt aber auch liebe Gewohnheiten, an denen ich festhalten möchte. Wichtig bei Gewohnheiten ist, sie sich hin und wieder bewusst zu machen, zu erspüren, ob sie wirklich noch wohltuend sind oder ob sie doch möglicherweise einem anstehenden Übergang im Wege stehen und hemmen. Und dann ist es an der Zeit eine Veränderung herbeizuführen. Und zwar durch eine bewusste Entscheidung. Eine Hilfe ist uns dabei unsere innere Stimme. Ihr sollten wir vertrauen und auf sie hören. Oft weis unsere Intuition und unser Gefühl schon lange vor unserem Alltagsbewusstsein, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Unser Herz erkennt untrüglich, wann es Zeit ist auf dem Lebensweg weiter voranzuschreiten und das bisherige Lernfeld zu verlassen.

Das weckt bei nicht wenigen Menschen diffuse Ängste. Das Wohnen im Altbekannten und sei es noch so wenig hilfreich, scheint sicherer als unbekannte Gebiete zu erkunden.

Eigene Erfahrungen und Beobachtungen in meinem Umfeld haben mich zu der Erkenntnis gebracht, dass das Ignorieren der inneren Stimme und die Weigerung neue Abschnitte in das Leben einzulassen, zu Stagnation und einem vagen Gefühl des Unzufriedenseins oder einer Unruhe führen können. Im schlimmsten Fall zwingt das Leben selbst uns durch Krankheit, Unfall oder auch Missstimmungen im zwischenmenschlichen Bereich dazu, ungute Gewohnheiten zu beenden oder neu zu überdenken und den bislang eingeschlagenen Weg zu korrigieren.

Wieviel besser ist es da doch, beizeiten selbst die Entscheidung herbeizuführen, sich dem Wandel des Lebens hinzugeben und zu versuchen seine eigene, ganz individuelle Lernaufgabe zu finden und sich ihr zu stellen. Vielleicht kann man es mit einer Abenteuerreise vergleichen. Den Kompass für die richtige Richtung tragen wir in uns. Denn sind wir in Übereinstimmung mit ethisch-moralischen Grundwerten und unserm inneren Wissen über Gut und Böse, kann keine Orientierungslosigkeit uns schrecken.

Ein Merkmal einer guten Gewohnheit ist, dass sie den Menschen merklich und wahrnehmbar in seiner Entwicklung voranbringt. Sie fühlt sich leicht und lustvoll an. Vielleicht erntet man sogar Komplimente, ganz sicher aber gibt sie ein gutes Gefühl, weil man nicht mehr unreflektiert alten Mustern entspricht, sondern selbst-bewusst seinen eigenen Weg geht.

Der Weg ist ganz einfach. Er beginnt mit dem ersten Schritt.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
(Hermann Hesse)

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