Obwohl Haustiere in unseren Haushalten in den wenigsten Fällen noch eine tatsächliche Funktion, als zum Beispiel Arbeits- oder Nutztiere haben, steigt weltweit die Zahl der Tierhalter. 2019 wurden nur allein in Deutschland 34,3 Millionen Haustiere beherbergt. Der Umsatz für Tierfutter- und Zubehör belief sich hier 2018 auf 4,2 Milliarden Euro. Der Umsatz im Blumen- und Pflanzenmarkt betrug 2019 sagenhafte 8,9 Milliarden Euro (alle Angaben lt. statista.com).
Warum nur geben wir so viel Geld, rein rational betrachtet, für etwas vordergründig so wenig Sinnvolles aus? Natürlich ließe sich die Frage recht einfach beantworten. Wir umgeben uns eben gerne mit Schönem und der Trieb des Umsorgens liegt uns quasi in den Genen. Das alles hat auf Körper und Psyche einen positiven Effekt. Im Umgang mit Haustieren wir werden älter, bleiben gesünder und empfinden unser Leben als erfüllter. Alles sehr bekannte und gut dokumentierte Fakten.
Aber warum ist das so? Was fehlt genau unserem Leben und lässt uns, andersherum gedacht, kränker und weniger bereichert zurück, wenn wir eben nicht engen Kontakt, auch zu anderen Lebensformen pflegen? Welche Antwort steckt hinter der Antwort?
Meines Erachtens geht es im Grunde um die Befriedigung eines tiefen Bedürfnisses des Menschen. Das Zusammenleben mit Pflanzen und Haustieren ist teilweise Ausdruck der Sehnsucht des Menschen nach Einheit und Verbundenheit mit der Natur. Je weiter sich der Mensch der Natur entfremdet, je größer wird seine Sehnsucht nach ihr und da echte Naturnähe oft fehlt, suchen wir sie, als eine Art Ersatzhandlung, ins Haus zu holen. Nicht dass ich hier von der Haustierhaltung, von der Pflege von Zimmerpflanzen oder der ausgleichenden Arbeit und dem lustvollem Sein, in einem schönen, welcher in meinen Augen nur ein naturnaher Garten sein kann, abraten möchte. Im Gegenteil. Hier bietet sich auch sozusagen ein wunderbares Übungsfeld im Kleinen, wie ich es nachfolgend noch beschreiben werde, dass wir durchaus auch auf größere Bezüge anwenden können. Ich halte es auch durchaus für denkbar, dass sich in der steigenden Zahl von Haustieren, schon eine Wiederannäherung der Menschheit an die Natur an sich, darstellt.
An dieser Stelle, möchte ich einfach zu Bewusstsein rufen, dass hinter der vordergründigen Freude über Tiere und Blumen, mehr stehen könnte. Im tiefsten Innern unseres Herzens wissen wir davon, dass Glück nur im Einklang und Frieden mit der Natur entstehen kann. Wir möchten uns als Teil der Welt fühlen, von der wir uns vielfach schon rein räumlich entfernt haben. Die meiste Zeit des Tages befinden wir uns im Haus oder dem Auto, abgesehen von den oft kurzen Momenten, in denen wir zwischen den beiden Möglichkeiten wechseln. So schneiden wir uns selbst von der Verbundenheit, dem Interbeing, dem mit und in der Welt sein, ab. Natur findet oft nur noch im Fernsehen oder in Bildbänden statt. Also versuchen wir uns auf andere Weise der Natur, dem Ursprünglichen, dem Wahren und Echten, zu nähern.
Mit der in dem Menschen veranlagten Liebe zur Natur, die er nun an Hunden und Katzen auszuleben versucht, verdrängt er zeitgleich die unglaubliche und unsägliche Pein und Qual, die er tagtäglich den anderen Mitlebewesen in der Massentierhaltung antut, indem er sie zu einem Produkt degradiert und behandelt wie seelenlose Ware. Dies ist zur Zeit einer der großen Schatten unserer Zivilisation und der derzeitigen Gesellschaft, in der wir leben. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten, bis wir als Menschheit erkannt haben, wie krank ein System ist, das auf der einen Seite Milliarden Euro ausgibt für eine Ersatzbefriedigung, im gleichen Atemzug jedoch ethisch verantwortbare Nutztierhaltung als zu teuer ablehnt und das Widersprüchliche daran nicht sehen kann oder möchte.
In der Tiefe der menschlichen Seele ist angelegt zu geben und zu nehmen. Nur dann fühlen wir uns im Einklang und Harmonie mit dem Leben und im Herzen verspüren wir ein Gefühl des richtig seins. Derzeit entnimmt der Mensch der Natur allerdings nur was er vermeintlich benötigt, ohne etwas zurückzugeben und auch ohne jede Rücksichtnahme. Auch hier heißt das Übel Konsum. Selbst manches angebliche Naturerlebnis ist, wie ich meine, nur eine weitere Ausbeutung unseres Planeten mit seinen Geschöpfen. Ich denke da nicht nur das exzessive Reisen um die Welt, vielleicht womöglich sogar, um des traurigen Verlangens willen, noch schnell den letzten großen Gletscher zu sehen, bevor es zu spät sein könnte oder das durchaus zweifelhafte Vergnügen zu haben, nur durch einen riesigen, mit nichts zu vertretenden Energieaufwand, noch überhaupt möglichen, Wintersport zu frönen und dergleichen mehr. Beispielsweise auch das beliebte, auf den ersten Blick recht unspektakulär daher kommende, Mountainbike fahren über Stock und Stein, sprich über Wurzeln und manchmal bis dato noch Unberührtes oder das Joggen ohne den Blick für das Detail, dafür aber mit Knopf im Ohr, bringt uns zwar in den Wald, entfernt uns jedoch nur noch weiter von der wahren Einheit mit ihm. Wenn wir ehrlich sind, dient uns die Natur oftmals nur als Kulisse für unsere diversen Freizeitaktivitäten.
Und obwohl die westliche Welt über zumeist alle Güter und Annehmlichkeiten verfügt, macht sich in uns ein Gefühl des Mangels breit. Wir müssen leidvoll feststellen, dass uns nichts auf Dauer befriedigt oder unsere Seele letztlich sättigt, was nicht den Kern unserer Sehnsucht trifft. Man könnte es auch so ausdrücken: Wir leiden unter Liebeskummer! Tatsächlich manchmal ohne zu wissen, welches grundlegende Bedürfnis auf Erfüllung wartet und dass unsere Geliebte nur einen Gedanken, nur ein Jetzt! von uns entfernt ist.
Was also können wir tun um uns wieder der Natur, unserem Ursprung, der guten Mutter Erde, der Schöpfung, anzunähern?
In den letzten Jahren hört man immer wieder von einem neuen Trend. Gestresste Städter, Manager am Limit oder auch einfach Menschen, die das Sehnen nach Nähe mit der Natur verspüren, belegen Kurse in „Waldbaden“. Könnte das die Lösung sein? Zwar stimmt die Richtung und allemal ist das besser als vieles andere, was man sich zur Entspannung kaufen kann, aber die Haltung ist zu überdenken, denn immer noch steht die Idee dahinter, etwas, was in Wahrheit unbezahlbar ist, sei käuflich zu erwerben. Für mich riecht das Ganze etwas zu sehr nach Marktlücke.
Was also dann? Entscheidend ist, wie so oft die Motivation. Es ist wichtig aus dem meistens noch unbewussten Zustand des unbestimmten Sehnens, nämlich dem nach Beziehung und Einheit, in den wachen Zustand des Handelns zu kommen. Als Freund und Helfer an dieser Stelle erweist sich wieder einmal die Achtsamkeit. Sie kann sich ausdrücken in einem andächtigen Lauschen, einem gelassenen Erspüren, einem vorsichtigen Annähern während ich mich auf die Natur, als ein echtes Gegenüber, einlasse. Ja, tatsächlich ist es eine schöne und anrührende Erfahrung einen Baum zu umarmen oder den direkten Körperkontakt mit der Erde zu suchen und zu genießen. Warum nicht, auch wenn ich vielleicht auf einem Waldspaziergang nicht allein bin, eine Zeitlang schweigen und so die Stille erfahren? In deren Gesellschaft folgen oft innere Ruhe und freud- und lichtvolle Momente, die wiederum eine Öffnung des Herzens ermöglichen. In diesem Seinszustand, dem des ruhigen Verweilens, vielleicht an einer Stelle, die man schon kennt und in der man sich gerne aufhält oder die spontan eine Resonanz in uns hervorruft, ist es möglich eben diesen Ort in sich aufzunehmen. Dies geschieht schon durch ein Schauen und ein Sehen was ist und ein inneres Erleben von der bestimmten und einzigartigen Energie, die genau diesen Ort ausmacht. Möglichst sollte ein bewertendes, analysierendes Beobachten in solchen Momenten unterbleiben. Und wie von selbst wird sich ein Gefühl der Nähe, der Liebe und auch vielleicht der Demut einstellen. Dann erkennen wir, dass wir ein Geschenk gebracht haben. Wir haben in diesem Moment uns selbst hingegeben an die Natur in und um uns, an das Göttliche in allem was ist.
Das ist, was in Wahrheit unsere Sehnsucht stillt. Wir wollen die Geschichte der Separation, wie Charles Eisenstein sie in seinen Büchern beschreibt, überwinden und loslassen. Wir wünschen uns Einheit. Und erst dann, wenn wir diese erkannt und auch erfahren haben, wenn zu dem Wissen des Verstandes sich das Wissen des Herzens gesellt, werden wir in der Lage sein und das nötige Mitgefühl verspüren, auch für unseren heiligen Ort oder unseren Baum in nächster Nähe , einzutreten und ihn zu schützen und zu erhalten.
Was sich hier vielleicht als romantische Schwärmerei ausnimmt ist in Wahrheit die einzige Möglichkeit unsere Welt noch zu retten. Sich für den Regenwald im Amazonasgebiet einzusetzen ist unbedingt von Nöten. Aber beginnen müssen wir damit vor unserer Haustür. Eine grundsätzliche Änderung der Perspektive und der Paradigmen ist unausweichlich.
Ein neues Kapitel in der Evolution der Menschheit möchte geschrieben werden; das von der bewussten Rückkehr des Menschen zu der Einheit, die er vor Jahrtausenden verließ um das Getrennt-sein zu erfahren, um seine intellektuellen Fähigkeiten zu erwerben und letztlich um sich als Individuum erleben zu können. Nun ist es Zeit wieder nach Hause zu kommen.