Verse-Gedichte-Einsichten

Gabe

Es kommt die Lust mir ganz von innen,

ein sanftes Rinnen über glatten Stein.

Nichts kann es halten oder hemmen,

mein heimlich stilles Glück – zu sein!

Hermine Ducks-Schiller





Ein menschliches Wesen ist Teil eines Ganzen, welches wir Universum nennen, ein in Zeit und Raum begrenzter Teil. Es erfährt sich selbst, seine Gedanken und Gefühle, als etwas vom Rest Getrenntes – in einer Art optischen Täuschung des Bewusstseins. Diese Täuschung ist so etwas wie ein Gefängnis für uns, da sie unsere persönlichen Wünsche und Zuneigungen auf wenige Menschen, die uns nahe stehen, einschränkt. Unser Ziel muss es sein, uns aus diesem Gefängnis zu befreien, indem wir den Horizont unseres Verstehens und unseres Mitempfindens dahin gehend ausweiten, dass er alle Lebewesen und die Gesamtheit der Natur in ihrer Schönheit umfasst.

Albert Einstein (1879- 1955)




„Materie als auch die Vorstellung von der Getrenntheit sind eine reine Illusion. Alle Atome des Universums sind im Hintergrund miteinander verbunden.“

Hans-Peter Dürr ( 1929- 2014)






„Bewusstsein gibt es seiner Natur nach nur in der Einzahl. Ich möchte sagen: die Gesamtzahl aller »Bewusstheiten« ist immer bloß »eins«.“

Erwin Schrödinger (1887-1961)




Ich bin

Sag nicht, daß ich morgen scheide,

denn ich bin noch gar nicht ganz da.

Schau: Jede Sekunde komme ich an,

um zu werden die Knospe am Frühlingszweig,

ein kleiner Vogel mit Flügeln, die noch nicht tragen,

im neuen Nest lern ich gerade erst singen,

ein Käfer im Herzen der Blume und ein Juwel,

verborgen im Stein.

Ich komme gerade erst an mit Lachen und Weinen,

mit Furcht und mit Hoffnung,

der Schlag meines Herzens

ist die Geburt und der Tod von allem, was lebt.

Ich bin die Eintagsfliege,

die vielgestaltig schillert auf der Oberfläche des Flusses,

bin auch der Vogel,

der im Frühling gerade noch rechtzeitig kommt, die Fliege zu schnappen.

Bin der Frosch,

der ganz zufrieden im klaren Wasser des Teichs hin- und herschwimmt.

und bin die Schlange,

die geräuschlos sich nähernd von Froschfraß lebt.

Ich bin das Kind aus Uganda,

nur Haut und Knochen mit Beinen so dünn wie Stöcke aus Bambus

und ich bin der Kaufmann,

der tödliche Waffen nach Uganda verkauft.

Ich bin das zwölfjährige Mädchen,

Flüchtling in einem kleinen Boot,

das sich in den Ozean wirft,

nachdem es von einem Seepiraten vergewaltigt wurde,

und ich bin der Pirat,

mein Herz ist noch nicht fähig, zusehen und zu lieben.

Ich bin ein Mitglied des Politbüros

mit reichlich Macht in meinen Händen,

und ich bin der Mann,

der seine „Blutschuld“ an sein Volk zu zahlen hat,

langsam sterbend in einem Arbeitslager.

Meine Freude ist so wie der Frühling, so warm,

Daß sie die Blumen in allen Lebensformen erblühen läßt.

Mein Schmerz ist wie ein Fluß voller Tränen, so voll,

daß er die vier Meere füllt.

Bitte rufe mich bei meinem wahren Namen,

damit ich all meine Schreie und mein Lachen

zur selben Zeit hören kann,

damit ich sehen kann, daß meine

Freude und mein Schmerz eins sind.

Bitte rufe mich bei meinem wahren Namen,

damit ich aufwachen kann,

und das Tor meines Herzens offen bleiben kann.

Das Tor des Mitgefühls.

Thich Nath Hanh ( 1926)

Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.

Mahatma Gandhi ( 1869-1948)

Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt.

Antoine de Saint- Exupery (1900- 1944)

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke ( 1875-1926)

Hoffnungsvoll, mit einem Herzen aus Liebe und Mitgefühl, sind wir auf dem Weg und können gewiss sein, das Leben wird antworten und die zusammenführen, die eines Geistes sind.

Hermine Ducks-Schiller

So wie ein Baum nicht endet an der Spitze der Wurzeln oder seiner Zweige, so wie ein Vogel nicht endet an seinen Federn und seinem Flug, so wie die Erde nicht endet an ihrem höchsten Berg, so ende auch ich nicht an meinem Arm, meinem Fuß, meiner Hand, sondern greife unentwegt nach außen hinein in allen Raum und alle Zeit mit meiner Stimme und meinen Gedanken, denn meine Seele ist das Universum.

Norman H. Russel, Cherokee

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.

Wenn das Zufällige und Ungefähre

verstummte und das nachbarliche Lachen,

wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,

mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:

Dann könnte ich in einem tausendfachen

Gedanken bis an deinen Rand dich denken

und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),

um dich an alles Leben zu verschenken

wie einen Dank.

Rainer Maria Rilke

Ich bin Leben, das Leben will,

inmitten von Leben, das Leben will.

Albert Schweitzer