Was die Corona-Krise deutlich macht….

Noch stehen wir inmitten einer epochalen Krise, die zur Zeit die Welt zum einem in Atem hält und auf der anderen Seite Mutter Erde, also der gesamten Natur, dem Wasser, der Luft und allen Lebewesen, einschließlich dem Menschen, eine wunderbare und absolut nötige Atempause schenkt.

Schon jetzt sind deutliche Veränderungen spürbar und sichtbar. In den Kanälen Venedigs schwimmen Fische in klarem Wasser. In Wuhan, dem Teil Chinas, in dem das Virus zuerst auftrat, wird die Luft klar und es soll Kinder geben, die dort zum ersten Mal in ihrem Leben den blauen Himmel gesehen haben.

Und hier bei uns?  Kann ich mir einbilden, dass auch hier die Luft klarer wird und die Natur mehr Ruhe vor uns Menschen hat? Vielleicht. Im Moment ist es, zumindest in Porta Westfalica und Minden noch nicht so eindeutig. Immer noch wird viel im Auto herumgefahren und wenn jeder in dem nahen Berg Erholung sucht, ist halt auch jeder dort.

Immerhin verspüre ich in meinem eigenen Leben eine klare Entschleunigung des Alltags. Es gibt neben der Arbeit eben keine Termine mehr. Weder die unangenehmen noch die, auf die ich mich gefreut hatte.  Alles wird heruntergefahren und manche Belange des Lebens quasi resettet. Ich empfinde das als eher spannend und erholsam. Nun bin auch ich auf mich und meine nächste Familie fokussiert und zurückgeworfen. So manches muss nun neu gedacht werden. Was ist wichtig? Wie gestalte ich meinen Tag, wenn ich nicht gerade zur Arbeit gehe? Endlich habe ich Zeit für Dinge, die oftmals nur unter Stress oder zeitlicher Anspannung und nur nebenbei gelaufen sind. So wie ich, empfinden wohl gerade viele Menschen ihre Situation. Die Medien sind voll davon.

Trotz, oder gerade wegen aller Sorge und auch im Anblick schrecklicher Ereignisse, zeigt die Menschheit in vielen Teilen Solidarität, Lebensfreude und Mitgefühl. Gemeinschaften und auch Einzelpersonen organisieren zum Beispiel Einkäufe für Alte oder Kranke. Als ein Zeichen der Hoffnung und der Gemeinschaft läuten Kirchenglocken am Abend und laden ein, bewusst, Innezuhalten. Das Schöne an Glocken ist, finde ich, dass sie vor religiösen oder konfessionellen Grenzen nicht halt machen können. Sie werden von allen Menschen gehört. Und Jeder und Jede, die einen Sinn dafür entwickelt hat, wird die heilige und verbindende Stimmung solcher Gesten wahrnehmen können, unabhängig davon ob oder welcher Glaubensrichtung man jeweils anhängt.

Doch noch etwas anderes wird in diesen ungewöhnlichen Tagen und Wochen sehr deutlich. In vielen Menschen scheint es eine tiefe und existenzielle Angst oder Furcht zu geben, deren Symptome völlig irrational anmuten. Ich möchte auf das schon vielstrapazierte Thema des Hamsterns, insbesondere von Toilettenparier, eingehen.

Schauen wir zunächst einmal auf die Ausgangssituation: Eine Gefahr wird bekannt gegeben. Sie macht vor Niemandem halt und sie ist unsichtbar. Sie reißt Menschen aus ihrem Alltag und stellt Abläufe und gewohnte Routinen auf den Kopf. Selbstverständlichkeiten, die bis dato scheinbare Beständigkeit im Umfeld suggerierten, fallen außer Kraft.

Und nun wage ich die These, dass an dieser Stelle bei vielen Mitmenschen die unbewusste und verdrängte Angst vor dem eigenen Tod zum Tragen kommt. Einen unsichtbaren Feind kann man nicht kontrollieren, man ist ihm schutzlos ausgeliefert. Rational weiß der Einzelne, dass es kein Entkommen vor ihm gibt, trotzdem versucht er in verzweifelter Handlung, meist unbewusst, so etwas wie eine Beschwörung des Schicksals. Tragisch daran ist, dass es einzig auf materieller Ebene zu der Kompensation der unterbewussten Abläufe kommt. Der Mensch sucht sein Heil darin, sich an Dinge zu klammern. Als würde ihn die gehortete Menge an Gütern in der materiellen Welt halten können und einen Schutz bieten; einen Wall aus Toilettenpapierstapeln sozusagen, ein Bollwerk gegen die Endlichkeit des Lebens. In Zeiten, der gefühlt, höchsten Gefahr und der irrationalen Ängste, die tatsächlich das Handeln bis zum Zwanghaften steigern lassen können, ist der so betroffene Mensch natürlich nicht in der Lage, sich solidarisch gegenüber der Gemeinschaft zu zeigen. Er handelt aus reiner Panik.

An dieser Stelle muss ich darauf hinweisen, dass es sich hier ja um keine wirkliche Bedrohung durch Engpässe in der Versorgung handelt, sondern höchstens, um einen künstlich geschaffenen Mangel. (Das ist übrigens auch ein interessanter Aspekt, nicht nur in Zeiten von Corona! Möglicherweise komme ich an anderer Stelle nochmals darauf zurück..)

Nun aber zurück zu unserem Toilettenpapier. Ich finde es zumindest bemerkenswert, dass es sich hier ja um einen ausgesprochen kurzlebigen Artikel des täglichen Bedarfs handelt. Was, so habe ich mich gefragt, macht ausgerechnet diesen Gegenstand so wertvoll und warum verspricht er, der „Logik“ des Unbewussten folgend, eine gewisse Sicherheit? Nun, die Zusammenhänge bestehen für mich, in der allgemeinen Furcht vor Kotrollverlusten. Ich sehe in den, letztlich nicht wirklich beeinflussbaren Körperfunktionen des Menschen und dem hilflosen Versuch diese zu beherrschen oder zumindest in geordnete Bahnen zu lenken, ein Synonym für den verzweifelten Versuch, die  unabänderliche Tatsache des zukünftigen Todes abzuwenden oder irgendwie in den Griff zu bekommen.

Solange diese Ängste nicht bewusst bearbeitet und angesehen werden und solange sie auf rein materieller Ebene ausgelebt werden, wird sich leider wohl nichts für die davon Betroffenen ändern und ihre Lage bleibt im wahrsten Sinn hoffnungslos. Auch kann man sich fragen, welche Auswirkungen es auf unsere Gesellschaft hat, wenn nicht wenige Menschen ihr Leben in Unsicherheit und ohne Vertrauen in die Gemeinschaft oder den Staat als Institution, leben. Und noch viel schwerer wiegt die Frage nach dem „Warum?“.

Allein das Heranziehen des Problems ans klare Licht des Bewusstseins, kann von dem Leid der Verzweiflung, des Egoismus (Wir erinnern uns: Wer große Ängste leidet, ist selten in der Lage anderen gegenüber Mitgefühl zu empfinden.) und dem Gefühl der Hilflosigkeit befreien.

Der Angst vor dem eigenen Tod sollten wir uns alle stellen, nicht nur in der aktuellen Situation, sondern eigentlich an jedem Tag eingedenk sein, dass unser Leben hier endlich ist und was das für uns bedeutet. Die Fragen:“ Woher komme ich?  Warum bin ich hier? Kann ich ein „Danach“ für mich denken?“,  sind für jeden von uns von Belang. Nur ein bewusster Umgang mit dem Tod macht uns zum Menschen und lässt uns wirklich leben.

Die Möglichkeiten sich mit dem Thema zu beschäftigen sind vielfältig. In der Empfehlungsliste finden sich Bücher mit deren Inhalten man sich auf intellektueller Ebene dem Feld nähern kann. Ich empfehle auch das Anschauen alter Fotos im Familienalbum. Liebe, schon verstorbene Familienmitglieder auf Bildern anzusehen und auch uns selbst bei der eigenen Entwicklung vom Kinde bis jetzt, durch die einzelnen Lebensphasen und hierbei sein Leben Revue passieren zu lassen, kann uns helfen, die Endlichkeit der Dinge und Menschen zu erkennen. Schon eine geschnittene Rose aus dem Garten, über Tage in der Vase zu beobachten, wie sie erst frisch und schön, dann aber zunehmend leise welkend, unser Herz berührt, zeigt uns, dass nichts Materielles von Bestand sein kann.

Waldfriedhof bei Gut Wedigenstein

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